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Die letzten Beiträge des Themas - Die Läuterung zum Goldschmied
Autor Nachricht
  Betreff des Beitrags:  Re: Die Läuterung zum Goldschmied  Mit Zitat antworten
:lol01 Herrlich! Sehe immer noch nix vor lauter Lach-Tränen. Wie schön es doch immer ist, wenn man sich in solchen Geschichten wiedererkennt...
Beitrag Verfasst: 13.06.2010, 20:32
  Betreff des Beitrags:  Re: Die Läuterung zum Goldschmied  Mit Zitat antworten
OH! Schade!
Beitrag Verfasst: 09.06.2010, 20:20
  Betreff des Beitrags:  Re: Die Läuterung zum Goldschmied  Mit Zitat antworten
Friede seiner Asche
Beitrag Verfasst: 08.06.2010, 15:26
  Betreff des Beitrags:  Re: Die Läuterung zum Goldschmied  Mit Zitat antworten
Herr Hilz sollte der Branche unvergessen bleiben! Mir sind soeben meine Anfänge plastisch vorm inneren Auge vorbei gezogen. Treffender kann man es gar nicht beschreiben!
Beitrag Verfasst: 06.06.2010, 21:45
  Betreff des Beitrags:  Re: Die Läuterung zum Goldschmied  Mit Zitat antworten
juhuuu! wie lange habe ich nach diesem text gefahndet....dankeeeeeee!
Beitrag Verfasst: 03.06.2010, 14:33
  Betreff des Beitrags:  Die Läuterung zum Goldschmied  Mit Zitat antworten
Läuterung zum Goldschmied

Begrüßungsansprache zur Freisprechungsfeier der Goldschmiedelehrlinge in München, von Obermeister Hans Hilz aus Straubing.

„Verehrte Festgäste, liebe Kollegen, auch der Obermeister von Niederbayern möchte Sie ganz herzlich begrüßen und freut sich, daß er drei Prüflingen den Gesellenbreif überreichen darf. Sie, die Junggesellen haben einen Traumberuf erlernt, um den Sie viele beneiden und bewundern. Warum dem so ist, weiß eigentlich kein Mensch, denn die Ausbildung zum Goldschmied ist ein wahrer Leidensweg, der mit Frust, Enttäuschung und Niedertracht gepflastert ist.

Nur ganz außergewöhnliche Menschen wählen diesen Weg und stehen ihn auch bis zum Ende durch. Goldschmiede-Azubis gehören zu dieser besonderen Gattung. Sie sind meist beiderlei Geschlechts, davon aber überwiegend in der Mehrzahl weiblich, haben in der Regel Abitur oder im günstigsten Fall Mittlere Reife. Nach Hauptschülern fandet die Branche vergeblich, denn die fragen bereits beim Arbeitsamt, was bei diesem Geschäft zu verdienen ist. Sie sind dann für die Banche verloren, werden Bankkaufmann oder studieren im zweiten Bildungsweg Lehramt. Verblendet vom Glanz des Goldes und der Magie der Steine, beginnt nur der Traumberufene seine Ausbildung, ohne zu ahnen, was ihm bevorsteht. Die Stätte seines Wirkens entpuppt sich zumeist als chaotischer Raum, meist nicht größer als eine Besenkammer für mehrere Beschäftigte, voller undefinierbarer Gerätschaften, der dringenst eines Malers bedürfte.

Anstatt das Gold zu schmieden, muß er erst mal Unmengen von Messing zersägen; in Streifen in Scheiben, in Quadrate und Muster. Schmerzlich erfährt er jetzt, welches blutige und gefährliche Handwerk er sich hier ausgesucht hat. Zersplitterte Sägenteile bohren sich locker in Daumen und sonstige Finger und machen diese im Laufe des Jahres durch gelegentliches Einsägen schmerzunempfindlich. Bohren und Feilen bergen gleiche Gefahren, und so beendet der Azubi, täglich frisch verpflastert, in den ersten Monaten sein Tagewerk.

Die Illusion vom Traumberuf schwindet mit jedem Tag, und ein verstaubtes Schild an der Wand mit dem sinnigen Spruch „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ wirkt auch nicht gerade tröstlich. Der Gedanke, doch Psychologie zu studieren, oder einen anderen vernünftigen Beruf zu erlernen, drängt sich ins Bewußtsein, doch die Devise heißt jetzt die Zähne zusammenbeissen und Durchzuhalten.

Neues ist angesagt – Löten, die letzte Hürde. Gefährlich und schmerzahft wie alle bisherigen Tätigkeiten, und noch dazu mit Gestank verbunden. Letzterer kommt von verbrannten Haaren, die, wie zu spät bemerkt, die eigenen sind. Mit Begin des Lötens verändert sich nicht nur die Haartracht, sondern auch das Outfit erlebt einen sichtbaren Wandel. Langsam, fast unmerklich, fallen kleine und größere Löcher in die Kleidung. Ursache hierfür sind Spritzer von verdünnter Schwefelsäure, die zum Abbeizen der nun gelöteten Werkstücke benötigt wird. Dies erfährt der Betroffene allerdings erst, nachdem ein Großteil seiner besten Garderobe bereits ruiniert ist. Mit einer dem Feuer angepaßten Frisur, bekleidet mit den ältesten Klamotten und auch sonst nicht mehr ganz froh im Herzen, beginnt unser angehender Goldschmied nicht nur seine Arbeit sondern auch seinen Feierabend. Lange kann´s ja wohl nicht mehr dauern, bis man in die Gestalltungsprozesse eingreifen kann.

Es kommt aber ganz anders, denn jetzt beginnt der Psychoterror mit der Übung „Wir fertigen Fassungen“. Da gibt es runde, ovale, vier-, recht- und achteckige, Tropfen, Herzen und noch vieles mehr. Und bei allen Formen sollte das Material den vorhandenen Stein mit 5 zehntel Millimeter Abstand zur Aussenkante umrunden. Eine unlösbare Aufgabe. Abiturienten versuchen der Lösung mit Algebra näher zu kommen. Realschüler probieren den pythagoreischen Lehrsatz; Volksschüler, wenn überhaupt vorhanden, versuchen´s mit Augenmaß. Die Ergebnisse aller Bildungsgrade sind zumeist unbefriedigend, denn weder in der höheren Mathematik noch in der Praxis ist ein gleichseitiges Dreieck mit drei verschiedenen Seitenlängen bekannt.

Wer das große Glück hat, in einer klassischen Goldschmiede zu lernen, dem werden von nun an wenigstens einige Stunden zur Meditation eingeräumt, die er mit Knoten von Perlenketten verbringen darf. Ketttchen löten wird als alternative angeboten. Diejenigen, die in einem größeren Betrieb beschäftigt sind, dürfen die Scheidgutbehälter und sonstige Abfälle entsorgen, die Lager aufräumen. Ebenso sind die unglaublichsten Botengänge zu erledigen, und hin und wieder ist man auch den Streichen der älteren Kollegen ausgesetzt.

Trotz erweiterten Kenntnisstand sind auch bescheidene Erfolge kaum in Sicht, denn irgendwas geht immer schief. Scharnier festgelötet, Fassung verschmort, Broschierung verkehrt, Kettchen steifgelötet oder Stein verschmissen. Und wenn doch mal alles klappt, dann ist wenigstens der Kader zu niedrig oder zu dick oder sogar beides. Für alle Unkundigen: Ein Kader ist nicht der betriebseigene Mäusefänger und Stubentiger, sondern die untere Umrahmung einer Brosche oder Anhängers.

Während die Selbstzweifel und Alpträume unseren Azubi quälen, verschlechtert sich sein Zustand zusehends. Die von ihm gefertigten und in den Augen des Meisters fast unbrauchbaren Werkstücke müssen nämlich auch noch geschliffen und poliert werden. Trotz grösster Mühe und eines Materialabtrags von über 30 % will sich der ersehnte Glanz nicht einstellen, der eigentlich alle Schwachstellen beseitigen sollte. Gleichzeitig verfinstert sich Gesicht, Hals und Hände sowie die Kleidung, denn Schleif- und Poliermittel hinterlassen einen schwärzlichen, festhaltenden Niederschlag, der nur schwerlich zu entfernen ist. Von nun an verbringt er seine Abende mit Selbstreinigung und Säuberung der für die Arbeit spezifischen Textilien. Wegen vermeintlicher Unfähigkeit und berufsbedingter Unattraktivität vermeiden Goldschmiedeazubis von nun an jeglichen Kontakt zum anderen Geschlecht. Dies ist für die Persönlichkeitsbildung auch nicht gerade förderlich.

Um der totalen Vereinsamung vorzubeugen, hat der Gesetzgeber die Blockbeschulung eingeführt. Größere Erfolgserlebnisse oder gar die Möglichkeit der Selbstverwirklichung sind im Lehrplan dieser Institution aber nicht vorgesehn. Kaum tröstlich darum die Worte von Herrn Wagner: „Man lernt nie aus im Leben.“ Auch sollen die Worte schon gefallen sein: „Das lernen Sie nie mehr; gell?!?“ Aber Goldschmiedelehrlinge handeln nach dem Motto: Was mich nicht umbringt, macht mich nur noch Härter!

Mit beginn des vierten Lehrjahres verspürt der Azubi eine leichte Verbesserung seiner Lebensqualität. Fast schmerzfrei verbringt er sein Tagewerk; zum einen, weil er kleine Verletzungen nicht mehr registriert, zum anderen, kann er zwischenzeitlich größere ganz gut vermeiden. Seine Arbeiten finden Anerkennung im Kommentar des Meisters: „Na ja, kann ma` lassen.“ Er wäre fast glücklich, hätte er im Weggehen nicht noch noch gemurmelt: „Wenn´st as noo in aan dritt`l der Zeit g´macht hätt`st, kann´t mas sogar va`kaffa.“

Die langsam bevorstehende Gesellenprüfung lässt alle Arten von Demütigung vergessen, denn die Gedanken kreisen nunmehr ums Gesellenstück. Ring – Brosche – Anhänger – Collier. Ein Ereignis für die gesamte Branche – oder wenigstens für die Verwandschaft soll es sein – und das in 32 Stunden. Mit der Entscheidung, nun doch eine als Anhänger und Krawattenklammer zu tragenden Ring und Diadem zu fertigen, ist eigentlich das Schlimmste bereits überstanden. Der Rest muß nurmehr gemacht werden. Glückliche Tage am Ende eines langen Leidensweges.

Sie haben es nunmehr geschafft, und wer eine Lehre unbeschadet überstanden hat, der fürchtet weder Tod noch Teufel, und um dessen Zukunft braucht sich keiner mehr zu sorgen. Ich freue mich mit Ihnen und hoffe trotz alledem, daß Gold- und Silberschmied doch noch, und/oder trotz allem ein Traumberuf für sie wird.“

Diese Ansprache habe ich in einer alten Fachzeitschrift gefunden.
Beitrag Verfasst: 06.06.2006, 00:25

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