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Experimentelle Archäologie: Die Feuervergoldung
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Autor:  Nugget [ 20.03.2006, 18:43 ]
Betreff des Beitrags:  Experimentelle Archäologie: Die Feuervergoldung

Archäologie:
Auf der Suche nach dem "Wie" - Die Experimentelle Archäologie
Die komplizierte Technik der Feuervergoldung



Mai 2003. Im Museumsgarten laufen Dreharbeiten zu dem Film >> „Radegunde, die geraubte Prinzessin“.
Im Drehbuch ist eine kurze Einstellung vorgesehen: Ein Goldschmied fertigt eine Knopfbügelfibel für die thüringische Prinzessin an. Natürlich ist diese Fibel etwas größer, luxuriöser ausgefallen, mit mehreren Almadinen besetzt. Aber sie wird genauso wie unser FUMO-Stück feuervergoldet. Den Händen des Museumschemikers Wunderlich kommt dabei eine Komparsenrolle zu. Über dem Kohlebecken liegt eine silbern aussehende Fibel, Rauch steigt auf. Plötzlich schlägt die Farbe in ein mattes Ockergelb um.
-Schnitt -
Nun liegt die Fibel unter Wasser. Sie wird mit einer Messingbürste geschrubbt. Nun glänzt sie wie Gold…
-Schnitt-







Was in der Filmsequenz gezeigt wurde, waren Ausschnitte aus der komplizierten Technik der Feuervergoldung.


Es ist eine Vergoldungstechnik für Metalle, die im 1. Jahrhundert n. Chr. aufkommt und bis ins 19. Jahrhundert hinein die am meisten verwendete Metallvergoldungstechnik ist. Ganz einfach ausgedrückt, funktioniert sie so: Man stelle eine pastenförmige Legierung aus Quecksilber und Gold her, das sog. Goldamalgam. Man streicht es das zu vergoldende Metall auf (Buntmetall oder Silber), erhitzt es, worauf das Quecksilber verdampft und das Gold zurückbleibt. Das ganze Quecksilber? „Ja“, sagt Wunderlich, „zumindest manchmal“. „Nein“, sagt sein Fachkollege, der Chemiker Anheuser, der zu diesem Thema eine umfangreiche und hervorragende Arbeit verfasst hat.

Einigkeit besteht zunächst darin: Wie Anheuser auch zeigen konnte (Anheuser, Diagramm S. 36) nimmt der Quecksilbergehalt mit zunehmender Erhitzung des Goldamalgamierten Werkstückes langsam ab. Bei 250 Grad sind noch ca. 25% Quecksilber vorhanden, bei 350 Grad noch etwa 10%, bei ca. 600 Grad ist das Quecksilber verschwunden, und nur noch Gold vorhanden. Einig ist man sich auch: Was bei den Niedertemperatur-Feuervergoldungen, also bis etwa 350 Grad überbleibt, darf man eigentlich nicht als „Vergoldung“ bezeichnen, denn es handelt sich dabei um ein Gemenge, das hauptsächlich aus Au3Hg besteht, dem ζ-Goldamalgam. Dieses ist von leicht „grünstichig-goldener“ Farbe.






Wozu also der Streit? Anheuser sagt, Feuervergoldungen über 350 Grad seien technisch nicht möglich, folglich müssen alle Feuervergoldungen anhand des Quecksilbers nachweisbar sein. Anheuser hat es experimentell demonstriert. Seine Vergoldungen „oxidierten“, bzw. es oxidierte das Grundmetall unter der sehr dünnen, porösen Vergoldungsschicht bei über 350 Grad im Labor. Wunderlich hält seine Experimente dagegen. Er glüht seine Feuervergoldungen auf bis zu 700 Grad zur Rotglut. Hinterher sind sie wunderschön golden und Messungen zeigten: Kein Quecksilber!

Woran liegt es? Während Anheuser im Labor – sei es aufgrund typischer Laborbedingungen oder warum auch immer – nur sehr dünne Amalgamschichten erzeugte, die natürlich keine hohen Temperaturen aushalten, hat Wunderlich „dick aufgetragen“. Wie seine Experimente zeigen, geht das aber nur, wenn man das Amalgam genau nach mittelalterlicher Vorschrift herstellt, so wie es das Goldschmiedelehrbuch des Theophilus Presbyter (um 1200 n. Chr.) vorschreibt. Man muss es durch Zusammenschmelzen von 8 Teilen Quecksilber und einem Teil Gold frisch herstellen, sofort in Wasser abschrecken und gleich verwenden. Dann erhält man eine „thixotrope“ Paste, die man sehr leicht auch in dicken Schichten auftragen kann. Und kaum ist das erste Quecksilber verdampft, kommt die nächste Schicht darüber. Während des Erhitzens streicht man immer wieder neues Amalgam darauf, und verteilt es sorgfältig mit dem Pinsel.





Lässt man das frische Amalgam nämlich nur eine Stunde stehen, so werden die kleinen Au3Hg-Kriställchen immer größer. Man hat dann eine Masse wie „Sand und Wasser“, und wer einmal versucht hat, mit einem Pinsel Sand und Wasser zu verstreichen, der versteht, wovon die Rede ist. Der alte Mönch Theophilus wusste, worauf es ankam, und wir müssen uns dies erst wieder mühsam erarbeiten. Nach dem „Vertreiben“ des Quecksilbers muss übrigens die unansehnliche gelbockerfarbene, matte Schicht poliert werden, denn sie ist nach dem „Feuern“ zunächst noch feinkörnig und porös. Um es zum Glänzen zu bringen, wird es verdichtend poliert. Dazu wird es entweder unter Wasser mit einer Messingbürste „gekratzt“ oder – dies ergibt Hochglanz - mit einem Achat verdichtend poliert. Die Goldteilchen wachsen dann zu einer glänzenden, dichten Metallschicht zusammen.





Was bedeutet das kulturgeschichtlich? Feuervergoldungen können beträchtliche Mengen Quecksilber enthalten – viele Analysen an archäologischen Objekten sprechen dafür. Aber sie müssen es nicht – wie das Beispiel unserer Fibel zeigt… Die Goldschichten enthalten dann aber nicht unwesentliche Mengen des Grundmetalls, das beim stärkeren Erhitzen in die Vergoldung diffundiert – ohne jedoch Qualität und Farbe der Vergoldung wesentlich zu beeinträchtigen. Das zeigt der Analysebefund der Fibel eindeutig. Andere Techniken der Metallvergoldung (für Fachleute: Diffusionsvergoldung, Blattvergoldung) kommen für die gegossene und ziselierte Fibel auch nicht in Betracht.





Aber: Wo bleibt das Quecksilber beim Verdampfen? Geringe Mengen bleiben in der Luft, vieles schlägt sich in der Umgebung nieder. Und wenn man nicht aufpasst, dann bekommt der Vergolder davon einiges in die Lunge. Quecksilber ist ein starkes Gift. Insbesondere die dauernde Einnahme geringer Mengen führt zu schweren Erkrankungen, die unter anderem starke Nervenschäden mit sich bringen. Feuervergolder, die unachtsam waren und ihre Arbeiten in schlecht gelüfteten Räumen ausführten, wurden nicht nur ihrer Zähne, sondern auch des Verstandes beraubt. Quecksilbervergiftungen verlaufen äußerst qualvoll und deshalb sei jedem Nichtfachmann vor Experimenten dringend abgeraten.



Mit freundlicher Genehmigung des


Sachsen-Anhalt
Landesmuseum für Vorgeschichte

Herr Wunderlich

Autor:  Anzeige [ 20.03.2006, 18:43 ]
Betreff des Beitrags: 


Autor:  Nugget [ 20.03.2006, 18:45 ]
Betreff des Beitrags:  Die Feuervergoldung





Die Feuervergoldung


Damit das Kupfer das Goldamalgam annimmt, muß es zunächst "verquickt" werden. Dazu behandelt man den sorgfältig gereinigten Rohling mit einer Quecksilbersalzlösung. Dabei wird eine hauchdünne Schicht Quecksilber auf dem Kupfer abgeschieden, es bildet sich an der Oberfläche eine chemische Verbindung aus Kupfer und Quecksilber, dem Kupfer-Amalgam (Amalgame sind Metallverbindungen mit Quecksilber. Das Wort "Amalgam" stammt aus dem griechischen und bedeutet soviel wie "verquicktes", innig verbundenes.)

1 Teil Gold, 8 Teile Quecksilber zusammenschmelzen (Abzug!!!), abschrecken in kaltem Wasser. Ergibt feine, silbrige Paste. Frisch hergestellte Amalgampaste (bzw. zumindest frisch abgeschreckte, oder fein verriebene Paste) auftragen (Borstenpinsel). Paste muß sich "cremig" streichen lassen, Pinselstriche bleiben in der Kälte stehen.

Oberfläche langsam anwärmen, dabei mit dem Pinsel gleichmäßig immer wieder verteilen. Temperatur kann langsam gesteigert werden, max. ca. 400 Grad. Wenn die Oberfläche mattsilbrig wird, kann man mit dem Streichen aufhören. Die Oberfläche läuft anschließend mattockergelb an.

In der Kälte unter Wasser mit Messingbürste polieren ("kratzen"). Je nach Art und Temperatur der Erwärmung entstehen bleichgolden (noch hoher Hg-Gehalt) bis rotgoldene Oberflächen (geringer Hg-Gehalt, eindiffundiertes Cu). Temperaturen von ca. 400-500 Grad sollten nicht überschritten werden, da sonst Lücken entstehen - besonders dann, wenn das Amalgam zu dünn aufgetragen wurde.

Für das Gelingen ist die richtige Zusammensetzung der Amalgampaste fast einzig entscheidend. Zuviel Quecksilber verhindert die Bildung hinreichend dickschichtiger, stabiler Goldschichten - (überschüssiges Hg löst gerade entstandene Goldschichten sofort wieder an). Zu dünne Goldschichten sind aber extrem temperaturempfindlich - selbst geringstes Überschreiten einer Temperatur con 250-300 über 300 Grad läßt die Oberfläche sofort aufreißen (Oxidation des Cu-Untergrundes). Inhomogenes, grobkristallines Amalgam läßt sich nicht auftragen und verteilen, damit gelingt keine geschlossene Oberfläche. Mit dem korrekt bereitetem Amalgam (s. Rezepturen bei Theophilos) ist Feuervergoldung eine einfache Technik. Als Untergründe eignen sich Kupfer, Silber und Messing. Zinnbronze eignet sich weniger gut.


Sicherheitshinweis: Quecksilberdämpfe sind extrem giftig - alle Arbeiten sollten unbedingt unter einem gut ziehenden Abzug ausgeführt werden.

Autor:  Nina [ 21.03.2006, 08:43 ]
Betreff des Beitrags: 

WOW....

Hut ab, das ist wirklich ein toller Artikel. Ich würd ja gerne mal die fertige Filmsequenz sehen.
Das ist mal angewandtes altes Handwerk, wie man sich das vorstellt, ich bin wirklich begeistert!!!

Schade nur das die Feuervergoldung so giftig ist :/

Autor:  Antikschmuck [ 26.03.2006, 18:01 ]
Betreff des Beitrags:  Weiter so

Ja dieser Beitrag ist wirklich sehr gelungen. Bin durch einen Link hier ins Forum gekommen und muß sagen daß es mir hier sehr gut gefällt. Würde mich sehr freuen wenn es noch mehr solche Beiträge hier zu lesen gebe. Antiker Schmuck und seine Geschichte interessiert mich sehr. Wenn ich mal Zeit habe werde ich auch mal einen Artikel schreiben. Themen über Schmuck gibt es ja zu genüge.

LG

Autor:  desertcrystal [ 28.03.2006, 00:08 ]
Betreff des Beitrags:  AGIL- Büro für angewandte Archäoligie

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... wer sich für

antiken Bronzeguss,
die (frühmittelalterliche) Silberschmiedekunst der Wikinger
oder die antike Glasperlenherstellung

interessiert, für den ist das eine gute Adresse

Gruß desertcrystal



Autor:  Gast [ 23.04.2007, 14:54 ]
Betreff des Beitrags:  Die Feuervergoldung als kurzes Video

Im ist dieses Vergoldungungsverfahren kurz erläutert:


Zu dem Thema habe ich folgendes Video bei Youtube gefunden:



So interessant der Film auch ist, er zeigt eher, wie man es nicht machen sollte. Die durch das Abgefackeln des Gold-Amalgam entstandenen Quecksilberdämpfe die hochgiftigen sind. Diese können trotz Mundschutz problemlos eingeatmet werden!!!

Autor:  Ewald [ 17.10.2007, 22:58 ]
Betreff des Beitrags: 

Danke für den tollen Link ,Herr Gast.
Somit hab ich diese Arbeitsschritte zum ersten mal gesehen.
Ist aber hierzulande,in Österreich,verboten,soviel ich weiß.

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