Archäologie:
Auf der Suche nach dem "Wie" - Die Experimentelle Archäologie
Die komplizierte Technik der Feuervergoldung
Mai 2003. Im Museumsgarten laufen Dreharbeiten zu dem Film >> „Radegunde, die geraubte Prinzessin“.
Im Drehbuch ist eine kurze Einstellung vorgesehen: Ein Goldschmied fertigt eine Knopfbügelfibel für die thüringische Prinzessin an. Natürlich ist diese Fibel etwas größer, luxuriöser ausgefallen, mit mehreren Almadinen besetzt. Aber sie wird genauso wie unser FUMO-Stück feuervergoldet. Den Händen des Museumschemikers Wunderlich kommt dabei eine Komparsenrolle zu. Über dem Kohlebecken liegt eine silbern aussehende Fibel, Rauch steigt auf. Plötzlich schlägt die Farbe in ein mattes Ockergelb um.
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Nun liegt die Fibel unter Wasser. Sie wird mit einer Messingbürste geschrubbt. Nun glänzt sie wie Gold…
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Was in der Filmsequenz gezeigt wurde, waren Ausschnitte aus der komplizierten Technik der Feuervergoldung.Es ist eine Vergoldungstechnik für Metalle, die im 1. Jahrhundert n. Chr. aufkommt und bis ins 19. Jahrhundert hinein die am meisten verwendete Metallvergoldungstechnik ist. Ganz einfach ausgedrückt, funktioniert sie so: Man stelle eine pastenförmige Legierung aus Quecksilber und Gold her, das sog. Goldamalgam. Man streicht es das zu vergoldende Metall auf (Buntmetall oder Silber), erhitzt es, worauf das Quecksilber verdampft und das Gold zurückbleibt. Das ganze Quecksilber? „Ja“, sagt Wunderlich, „zumindest manchmal“. „Nein“, sagt sein Fachkollege, der Chemiker Anheuser, der zu diesem Thema eine umfangreiche und hervorragende Arbeit verfasst hat.
Einigkeit besteht zunächst darin: Wie Anheuser auch zeigen konnte (Anheuser, Diagramm S. 36) nimmt der Quecksilbergehalt mit zunehmender Erhitzung des Goldamalgamierten Werkstückes langsam ab. Bei 250 Grad sind noch ca. 25% Quecksilber vorhanden, bei 350 Grad noch etwa 10%, bei ca. 600 Grad ist das Quecksilber verschwunden, und nur noch Gold vorhanden. Einig ist man sich auch: Was bei den Niedertemperatur-Feuervergoldungen, also bis etwa 350 Grad überbleibt, darf man eigentlich nicht als „Vergoldung“ bezeichnen, denn es handelt sich dabei um ein Gemenge, das hauptsächlich aus Au3Hg besteht, dem ζ-Goldamalgam. Dieses ist von leicht „grünstichig-goldener“ Farbe.
Wozu also der Streit? Anheuser sagt, Feuervergoldungen über 350 Grad seien technisch nicht möglich, folglich müssen alle Feuervergoldungen anhand des Quecksilbers nachweisbar sein. Anheuser hat es experimentell demonstriert. Seine Vergoldungen „oxidierten“, bzw. es oxidierte das Grundmetall unter der sehr dünnen, porösen Vergoldungsschicht bei über 350 Grad im Labor. Wunderlich hält seine Experimente dagegen. Er glüht seine Feuervergoldungen auf bis zu 700 Grad zur Rotglut. Hinterher sind sie wunderschön golden und Messungen zeigten: Kein Quecksilber!
Woran liegt es? Während Anheuser im Labor – sei es aufgrund typischer Laborbedingungen oder warum auch immer – nur sehr dünne Amalgamschichten erzeugte, die natürlich keine hohen Temperaturen aushalten, hat Wunderlich „dick aufgetragen“. Wie seine Experimente zeigen, geht das aber nur, wenn man das Amalgam genau nach mittelalterlicher Vorschrift herstellt, so wie es das Goldschmiedelehrbuch des Theophilus Presbyter (um 1200 n. Chr.) vorschreibt. Man muss es durch Zusammenschmelzen von 8 Teilen Quecksilber und einem Teil Gold frisch herstellen, sofort in Wasser abschrecken und gleich verwenden. Dann erhält man eine „thixotrope“ Paste, die man sehr leicht auch in dicken Schichten auftragen kann. Und kaum ist das erste Quecksilber verdampft, kommt die nächste Schicht darüber. Während des Erhitzens streicht man immer wieder neues Amalgam darauf, und verteilt es sorgfältig mit dem Pinsel.
Lässt man das frische Amalgam nämlich nur eine Stunde stehen, so werden die kleinen Au3Hg-Kriställchen immer größer. Man hat dann eine Masse wie „Sand und Wasser“, und wer einmal versucht hat, mit einem Pinsel Sand und Wasser zu verstreichen, der versteht, wovon die Rede ist. Der alte Mönch Theophilus wusste, worauf es ankam, und wir müssen uns dies erst wieder mühsam erarbeiten. Nach dem „Vertreiben“ des Quecksilbers muss übrigens die unansehnliche gelbockerfarbene, matte Schicht poliert werden, denn sie ist nach dem „Feuern“ zunächst noch feinkörnig und porös. Um es zum Glänzen zu bringen, wird es verdichtend poliert. Dazu wird es entweder unter Wasser mit einer Messingbürste „gekratzt“ oder – dies ergibt Hochglanz - mit einem Achat verdichtend poliert. Die Goldteilchen wachsen dann zu einer glänzenden, dichten Metallschicht zusammen.
Was bedeutet das kulturgeschichtlich? Feuervergoldungen können beträchtliche Mengen Quecksilber enthalten – viele Analysen an archäologischen Objekten sprechen dafür. Aber sie müssen es nicht – wie das Beispiel unserer Fibel zeigt… Die Goldschichten enthalten dann aber nicht unwesentliche Mengen des Grundmetalls, das beim stärkeren Erhitzen in die Vergoldung diffundiert – ohne jedoch Qualität und Farbe der Vergoldung wesentlich zu beeinträchtigen. Das zeigt der Analysebefund der Fibel eindeutig. Andere Techniken der Metallvergoldung (für Fachleute: Diffusionsvergoldung, Blattvergoldung) kommen für die gegossene und ziselierte Fibel auch nicht in Betracht.
Aber: Wo bleibt das Quecksilber beim Verdampfen? Geringe Mengen bleiben in der Luft, vieles schlägt sich in der Umgebung nieder. Und wenn man nicht aufpasst, dann bekommt der Vergolder davon einiges in die Lunge. Quecksilber ist ein starkes Gift. Insbesondere die dauernde Einnahme geringer Mengen führt zu schweren Erkrankungen, die unter anderem starke Nervenschäden mit sich bringen. Feuervergolder, die unachtsam waren und ihre Arbeiten in schlecht gelüfteten Räumen ausführten, wurden nicht nur ihrer Zähne, sondern auch des Verstandes beraubt. Quecksilbervergiftungen verlaufen äußerst qualvoll und deshalb sei jedem Nichtfachmann vor Experimenten dringend abgeraten.
Mit freundlicher Genehmigung des
Sachsen-Anhalt
Landesmuseum für Vorgeschichte
Herr Wunderlich